Gerard Mortier stand über mehr als drei Jahrzehnte an der Spitze traditionsreicher Opernhäuser (La Monnaie, Brüssel; Opéra national de Paris; Teatro Real, Madrid) und Festivals (Salzburger Festspiele; Ruhrtriennale). Am 25. November 1943 in Gent geboren, rückte er schon als junger Dramaturg die Kunstform Oper nicht nur ins Zentrum künstlerischer Auseinandersetzungen, sondern auch ins Zentrum gesellschaftspolitischer Diskurse. Er programmierte und wirkte in der Überzeugung, dass die Oper die Aufgabe habe, gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu transportieren – und verortete seine Musiktheaterprojekte immer auch im jeweiligen gesellschaftlichen und topografischen Umfeld: ob in Brüssel, in Salzburg, bei der Ruhrtriennale, in Paris oder schließlich in Madrid.
»Theater machen bedeutet, die Routine des Alltäglichen zu durchbrechen, die Akzeptanz wirtschaftlicher, politischer und militärischer Gewalt als Normalität infrage zu stellen, die Gemeinschaft zu sensibilisieren für Fragen des menschlichen Daseins, die sich nicht durch Gesetze regeln lassen, und zu bekräftigen, dass die Welt besser sein kann, als sie ist. Theater machen ist also eine Sendung, ein priesterliches Amt beinahe, ohne darum eine Offenbarungsreligion zu sein. Das Theater ist eine Religion des Menschlichen«, notierte er in seinem programmatischen Buch Dramaturgie einer Leidenschaft.