Es gibt auffällige Parallelen zwischen dem Slasher-Movie-Genre und (post-)kolonialen Strukturen in der heutigen Gesellschaft Südafrikas. Die feministische Filmtheoretikerin Vera Dike betont, den ähnlichen Mechanismus der Markierung des Anderssein: Verbrechen in Slasher-Filmen erfolgen oft auf der Grundlage einer abwertenden Beurteilung des Opfers – sei es in Form von Kritik an den moralischen Standards der gejagten Teenager:innen (z.B. ihrer sexuellen Aktivitäten) oder aufgrund rassistischer Vorurteile. Außerdem gibt es immer eine starke Verbindung zwischen den Schrecken der Gegenwart und denen der Vergangenheit. Die Gewalt in diesen Filmen ist weniger das Resultat einer Aktion, die aus dem Nichts im Hier und Jetzt auftaucht. Sie ist vielmehr ein Nachwirken der Schrecken der Vergangenheit, die vergessen und verdrängt, aber nicht überwunden wurden.
Im südafrikanischen Kontext ist die Gegenwart auf vielfältige und komplexe Weise geprägt von der systematisierten Gewalt, die durch die niederländischen und britischen Kolonialherrscher:innen und anschließend durch das Apartheidregime, ausgeübt wurde. Diese drei Machtsysteme eint, dass sie teilten, um zu herrschen. Sie bedienten sich des Othering auf der Grundlage rassistischer Konstruktionen und förderten Rivalität und Missgunst unter Nachbar:innen, um das Potential für Solidarisierung und gemeinsamen Widerstand zunichtezumachen. Durch die willkürliche Verteilung von »Privilegien« unter den verschieden konstruierten unterdrückten Gruppen, säten die Herrschenden Neid und Ressentiments, um Nachbar:innen zu Konkurrent:innen und potenziellen Feind:innen zu machen.
Diese Struktur der Vergangenheit taucht in Zeiten gesellschaftlicher Anspannung immer wieder auf drastische Weise auf, wie zuletzt bei den Unruhen während der Pandemie, als rassistische Übergriffe im ganzen Land zunahmen. Es kam zu vielen Angriffen auf Südafrikaner:innen mit indischer Abstammung (die während der Apartheid »Privilegien« gegenüber der Schwarzen südafrikanischen Bevölkerung genossen hatten) und auf Migrant:innen aus anderen afrikanischen Ländern, insbesondere aus Nigeria. Das Projekt THE VISITORS will vermitteln, wie der:die Andere als »Monster« erschaffen wird. Es zeigt auf, wie die xenophoben Konstrukte rund um die nigerianischen Einwanderer:innen mit dem realen Schrecken der kolonialen Eindringlinge verbunden sind und wie diese bis heute die gesellschaftspolitischen Strukturen der südafrikanischen Gesellschaft beeinflussen.
Die Killer in sogenannten Teen-Horrorfilmen sind keine komplexen, charismatischen Psychopath:innen wie bei Das Schweigen der Lämmer. Hier erscheint der Mörder eher als eine oberflächliche und unterentwickelte Figur, die oft kaum zu sehen ist. Statt selbst Protoganisten zu werden, verkörpern sie eine nahezu abstrakte Ursache von Gewalt. Sie sehen menschlich aus, aber sind praktisch unbesiegbar. Es reicht nicht aus, sie einmal zu töten. Diese beiden Elemente, Unsichtbarkeit und Unbesiegbarkeit, spiegeln die gesellschaftlich verinnerlichten und die Zeit überdauernden Formen, der oben erwähnten Machtstrukturen wider.
In Kult-Slasher-Filmen, wie Halloween von 1977, sind es immer wieder Jugendliche aus Vor- und Kleinstädten, die Gefahren ausgesetzt sind: zu Hause, in der Schule, beim Camping und in den Ferien. In den meisten dieser Filme erscheinen Eltern als völlig abwesend im Leben ihrer Kinder, sowohl physisch als auch emotional. Die Teenager:innen müssen immer allein mit den Killern fertig werden. Das Zuhause in diesen Filmen bietet keinen sicheren Zufluchtsort vor einer aus den Fugen geratenen Welt. In der Literatur über das Genre wird dies mit den Erfahrungen der Teenager:innen in veränderten Familienstrukturen der Moderne (Möglichkeit der Scheidung, veränderte Arbeitswelten) verknüpft. Doch dieser Aspekt wird im südafrikanischen Kontext gänzlich anders gelesen. Denn mit der Arbeitspolitik und den Passgesetzen setzte das Apartheidregime eine staatlich orchestrierte und effektive Zerstörung von Familienstrukturen um. Männer waren oft dazu verpflichtet, sich für längere Zeit von ihren Familien fernzuhalten. So leben heute in Südafrika nur noch etwa 35 Prozent der Kinder mit ihren beiden Elternteilen zusammen.