© Ulrike Draesner

Frauen Slash Lyrik. Kein Bindestrich – sondern eine Membran.

Frauen und – die Sprache. Zwei Seiten. Die einen (Frauen) selten gesehen. Frauen Slash Lyrik. Eben nicht: Frauenlyrik (uh…). Sondern: Frauen, die Gedicht schreiben. Und Frauen in Gedichten.

Der erste Text: Die Merseburger Zaubersprüche. Und ja, eine Erleuchtung: warum sollten sie von Männern/einem Mann verfasst sein? Sofort hebt sich die (gläserne – und nicht so gläserne) Decke. Es folgt: eine Entdeckungsreise, Seite um Seite. Chronologisch geordnet. Wir wissen es ja: Frauen konnten nicht oder kaum publizieren. Sie schrieben dennoch. Wir wissen es ja: in den Kanon wurden sie selten aufgenommen. Aber es gibt ihre Gedichte.

Hier, in der von Anna Bers herausgegebenen Anthologie, sehen wir sie. Die Tradition tritt hervor. Lieder, Sprüche, Gedanken, Frivoles, Forschungen, Erkundungen: was für ein Chor. Frauen entwerfen sich selbst und die Welt. Zwischendurch, als Gegenspiegel dazu, Kapitel, in denen Gedichte von Männern über Frauen versammelt sind. So viele Stimmen gibt es zu entdecken. So viele Leben, die berühren.

Eine Einladung zu einer Reise. Zum Blättern, Hören, sich Verlieren, um sich zu finden.

Eine große Freude.   

Ulrike Draesner, 13. Juni 2022