© Michael Pelzel

Michel Houellebecq hat etwas Verstörendes, Religiöses, Antireligiöses, er ist knallharter Moralist, ohne zu moralisieren. Er liebt die katholische Messe und ist dem Teufel vom Karren gefallen......

Und in Unterwerfung schälen sich für mich vor allem drei extrem relevante Aspekte heraus:

Der Protagonist, ein Literaturwissenschaftler aus Paris, beschäftigt sich nostalgisch-verträumt mit dem französischen Jugendstil-Schriftsteller Joris-Karl Huysmans, dessen Literatur und auch literarisches Klima, eine eigenartige Jugendstilwelt, mit dem literarischen Kern Michel Houellebecq's verwandt ist, prägen das Buch und verleihen ihm gesonderte Tiefenschärfe durch historischen Abstand.

Wie immer in den großen Romanen von Michel Houellebecq gibt es auch ein großes politisches Thema, welches hier besonders brisant und auch brandaktuell ist. Nicht wie erwartet gewinnt bei den Wahlen in näherer Zukunft in Frankreich der Front National mit Marine Le Pen, sondern eine islamische Partei. Diese und insbesondere ihr Präsident Mohammed Ben Abbes führen nun das Land und organisieren es in kurzer Zeit effizient um. Für mich ist dies auch ein an der Oberfläche logischer und überfallartigen Übernahmeprozess, etwas von weiterem Abstand betrachtet jedoch eine Art innere Kapitulation des Westens. Persönlich lese ich da heraus, respektive hinein, dass wir westlichen Länder davon ausgehen, die ganze Welt müsse unseren Werten folgen und dass unsere Werte eigentlich die weltweit richtigen (quasi "superior") sind. Andere Denkmodelle sind wir nicht bereit, zu akkzeptieren. Mit großer westlicher Toleranz kann man auf eine Art und Weise synchron dem Untergang des Westens beiwohnen. Persönlich glaube ich, dass westliche Werte nicht automatisch denen der übrigen Welt höhergestellt sind, sondern einer von möglichen Wegen. Immer noch steckt meines Erachtens viel Rest-Kolonialismus in unseren Denksystemen.

Die dritte Ebene ist wie bei Michel Houellebecq immer die pornographische- und Beziehungsebene. Letztendlich sind aber seine Sexualpartner nichts anderes als Projektionsflächen seiner Einsamkeit und werden nicht als eigenständige Figuren ausgestaltet.

Michael Pelzel, 2022