© Lisa-Katrina Mayer

Zum ersten Mal hörte ich von Liebesgrüße aus Nordkorea, als ich im Sommer 2020 - der ersten vermeintlichen Entspannungspause zwischen den Lockdowns - bei einem Abendessen mit gemeinsamen Freunden zufällig neben dem norwegischen Regisseur und Autor Morten Traavik saß, dessen Buch vor kurzem auf Deutsch erschienen war, weswegen er zu der Zeit gerade in Berlin gewesen ist. 

Er erzählte mir an diesem Abend von seinen Reisen nach Nordkorea und davon, wie er, neben zahlreichen anderen Projekten, dort unter anderem das erste Rockkonzert einer ausländischen Band in der Geschichte des Landes organisiert, Begegnungen zwischen europäischen und nordkoreanischen Künstler:innen initiiert und diverse Dokumentarfilme produziert und gedreht hatte. 

Für mich als Reise-Seele war das reines Öl in die Fernweh-Flamme; in einer Zeit, in der das Reisen in ferne Länder (darüber hinaus noch in ein Land wie Nordkorea) kaum vorstellbar war. 

Am nächsten Tag kaufte ich mir also direkt das Buch und wurde beim Lesen in ein Land und eine Welt entführt, die so fern von meiner eigenen Lebensrealität zu sein schien, mich als Kulturschaffende aber gleichzeitig immer wieder auch an mir allzu bekannten Punkten abholte. 

Es ließ mich hineinblicken in eines der abgeschirmtesten Länder der Welt, das für mich bislang hauptsächlich mit Vorurteilen und aus den Medien geprägten Meinungen verknüpft war. 

Darüber aus der Perspektive dieses spannenden Künstlers zu lesen, eröffnete mir neue Blickwinkel. 

Wir Kunst- und Kulturschaffenden in unserer sicheren, etablierten, die Meinungs- und Kunstfreiheit weitgehend garantierenden westlich-demokratischen Welt können vermutlich nicht annähernd ermessen, was es bedeutet in einem Regime wie dem von Kim Jong-un (oder einem seiner Vorgänger) zu leben, geschweige denn Kunst zu machen. 

Morten Traavik hat sich aufgemacht, dies zu erkunden - nicht als Zaungast, sondern hat sich selbst hinein begeben in die Untiefen des Systems. 

Es sind beeindruckende Geschichten, die er mitgebracht hat, von er denen im Buch manchmal auch nur in Rätseln und Andeutungen sprechen kann, so dass ich mich als Leserin plötzlich beinahe wie eine Komplizin fühlte. 

Der Autor beschreibt mit hoher Sensibilität und voller Respekt den Menschen und ihrer Kultur gegenüber, wie sich seine Geschichte über die Jahre hinweg mit den Geschichten der Menschen, denen er begegnete, verwoben hat und berichtet mit viel Humor von seinen zahlreichen Erlebnissen, Projekten und Kooperationen, die er mit europäischen sowie nordkoreanischen Künstler:innen über mehrere Jahre hinweg Kulturen- und Grenzübergreifend initiiert hatte. 

Dieses Buch bringt für mich in sehr spezifischer Weise auf den Punkt, wie groß die Notwendigkeit ist - aktuell mehr denn je - uns gegenseitig offen zu begegnen, uns gegenseitig zuzuhören und unvoreingenommen Augen, Verstand und Herzen zu öffnen, auch für das, was uns vielleicht fremd und schwer zugänglich ist. 

Nach der Lektüre von Liebesgrüße aus Nordkorea war ich sehr inspiriert und schrieb Morten eine E-Mail. Wie oft ist man schon in der luxuriösen Situation, seine Fragen direkt an den Autor richten zu können? 

Es begann ein spannender Austausch zwischen uns und nach einiger Zeit erreichte mich plötzlich ein Treatment für ein Drehbuch, das Morten Traavik gerade entwickelte. 

Er bot mir daraufhin die Hauptrolle in seinem neuen Spielfilm an, dem eine der unglaublichsten, bewegendsten Geschichten, die mir im europäischen Autorenkino bislang begegnet ist, zu Grunde liegt. 

Ich war begeistert und sagte sofort zu.

So hat mir diese Lockdown-Lektüre nicht nur einen Einblick in das künstlerische Schaffen innerhalb des Regimes Nordkorea eröffnet, sondern begründete gleichzeitig eine wichtige, zukunftsweisende künstlerische Zusammenarbeit.

Lisa-Katrina Mayer, 1. September 2021

Das Foto entstand in den Tagen meines Umzuges im darauffolgenden Lockdown, während eines Gesprächs mit dem Autor