4. Juni 1971 – dieses Datum steht mit Bleistift auf meinem Exemplar der L’Encyclopédie von Novalis geschrieben, ein Buch, dass im Jahr 1966 vom Verlag Minuit herausgegeben wurde. Das bedeutet, dass mich dieses Buch seit einem halben Jahrhundert begleitet, und da nie viel Zeit vergeht, in der ich es nicht benutze, bin ich erstaunt darüber, dass es sich noch in einem relativ guten Zustand befindet, auch wenn sein Papier ziemlich vergilbt ist.
Diese Übersetzung, die dem Philosophen Maurice de Gandillac zu verdanken ist, führt die Fragmente und Notizen von Novalis zusammen, wie sie von Ewald Wasmuth in seiner 1957 in Heidelberg erschienenen Ausgabe von Werke, Briefe, Dokumente zusammengestellt wurden.
In Deutschland und in geringerem Maße in Frankreich gab es weitere Versuche, die Notizen von Novalis zu gruppieren, für die der Begriff »allgemeiner Entwurf« erweitert werden kann. Aber ich bin der Wasmuth-Gandillac-Version immer treu geblieben, nicht aus Fetischismus, sondern ein bisschen, wie wenn man der musikalischen Interpretation treu bleibt, durch die man ein Werk entdeckt. So gesehen ist ein Buch wie ein Land, es hat seine Wege, seine Stationen, seine Landmarken.
Ich kenne einige der Fragmente, aus denen sich dieser Band zusammensetzt, auswendig, und die Leichtigkeit, mit der sie mir in den Sinn kommen, erstaunt mich immer wieder. Ich kann mindestens zwei nennen:
»Wir leben in einem kolossalen Roman (in groß und in klein).« 1393 (IV-562)
und
»Der Mensch spricht nicht allein. Das Universum spricht auch. Alles spricht. Unendliche Sprachen.« (479 (IV-146)
Aber am liebsten begebe ich mich immer wieder auf ein Abenteuer in dieses außergewöhnliche Buch, das immer wieder fruchtbare Überraschungen bereithält. Als ich beispielsweise an der Begleitung von Georges Aperghis' Erdfabrik arbeitete, stieß ich auf die der Mineralogie gewidmeten Fragmente, und ich sah, dass Novalis vermutet hatte, dass es sich um eine »astronomisch irdische« Wissenschaft handelte. Ich habe mich daran erinnert, als ich versuchte, die Gleichung zwischen dem Mineralischen und dem Siderischen zu ziehen, die das Prinzip der Fabrik meines Musikerfreundes ist.
Jean-Christophe Bailly, 2023