Als der erste Lockdown in 2020 begann, dachte ich, dass das ein guter Anlass ist, Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit in einen Rutsch zu lesen. Bisher hatte ich nur vier Bände gelesen und danach keine Zeit mehr am Stück gefunden, obwohl ich diesen Roman sehr genossen habe. Jedoch verlief der Lockdown für mich dann ganz anders: Plötzlich bekam ich eine Anfrage nach der anderen, meistens Übersetzungsanfragen. Ich war Tag und Nacht beschäftigt mit den Aufträgen. Der Lockdown hat mir nicht Ruhe oder Entschleunigung gebracht, sondern einfach weitere arbeitsintensive Monate. Keine Zeit und Muße für das lange Werk von Proust. Eines Abends hat ein Freund von mir den Namen Iwan Alexandrowitsch Gontscharow erwähnt, als ich ihm von meiner Vorliebe für Dostojewski erzählt habe. Ziemlich sofort habe ich Oblomov bestellt. Im Vergleich zu Prousts Verlorener Zeit ist der Roman schön kurz (= nur drei Bände auf Japanisch). Ich war so gefesselt und habe ihn innerhalb dreier Tage durchgelesen. Tag und Nacht auf dem Bett liegend, gelesen, gelesen und zwischendurch geschlafen. Das war absolut herrlich, als ob ich eine Reise in ein anderes Land oder in eine völlig andere Welt gemacht hätte. Dieser Müßiggang im doppelten Sinne, der von Oblomov und der von mir, war so reich…
Akiko Okamoto, Düsseldorf, 15. April 2021
Produktionsleitung The Life Work