Es ist eine ungewöhnliche Gelegenheit, der Öffentlichkeit ein Gespräch mit meiner Schwester über das Solostück A plot / A scandal zu präsentieren. In Ligias Beschreibung handelt es sich gar nicht um ein Solo. Ich erkenne das an der Art, wie sich ihre Poetik auf der Bühne zeigt und wie für Ligia alles, was ihre Arbeit prägt – die Menschen, die Ideen, die Kunst, die Ereignisse, die Geister –, immer mit ihr in den Werken präsent ist. Gewissermaßen stehen wir schon lebenslang im persönlichen, künstlerischen und intellektuellen Dialog miteinander. Das heißt, als Schwestern waren wir durch verschiedene Phasen unserer Leben an den Auseinandersetzungen beteiligt, die unsere jeweilige Arbeit antreiben. In unserer folgenden Unterhaltung erläutern wir einige dieser Auseinandersetzungen, die in Ligias jüngstem Werk A plot / A scandal thematisiert werden.
Sarah Lewis-Cappellari: Hinsichtlich deiner künstlerischen Praxis, insbesondere in der jüngsten Arbeit, haben wir schon oft über diese dunkle und packende Metapher gesprochen, die mir manchmal in den Kopf kommt: von dir als Gevatter Tod, der durch die künstlerische Tötung rassistischer Logiken gegen Schwarze Menschen Raum für alternative Ausgänge schafft. Diese Logiken sind z.B. rassistische Sinneswahrnehmungen, in denen als Schwarz markierte Menschen zu visuellen Markern werden, anhand derer eine Hierarchie des Seins / der Gewichtung begründet, naturalisiert und (re)produziert wird. Ist dein neues Werk A plot / A scandal als Selbstporträt nun ein weiterer Versuch, solche Logiken zu stürzen und zu beseitigen? Willst du damit die reduzierenden Konzepte von Identität angreifen, die Rassifizierung, Klasse, Geschlecht, Sexualität, Befähigung etc. als knechtende Marker aufrechterhalten?
Ligia Lewis: Wie können wir uns denn jenseits der Westlichen Konzeption des Selbst auf Identität beziehen? Westliche Konzepte von Identität sind zu stark mit dem Selbst befasst. Denn es gibt eine Machtmatrix, die Schwarzsein, Andersheit, Indigenität, Nicht-Weißsein als minderwertig oder defizitär figuriert. Still Not Still spielt ziemlich ausdrücklich und grotesk mit Macht: als einem grundlegenden, sich selbst erschöpfenden Wesenszug jenes Menschen, der als europäisch, weiß rassifiziert, heteronormativ, cis-männlich, allwissend und universell konzipiert wird. Indem ich aufzeige, wie Macht so willkürlich, ohne Sinn und Verstand operiert, versuche ich einen Weg aus ihren Fängen herauszufinden. Mit diesem Stück versuche ich, mich selbst zu kartieren – mit all meinen nuancierten, begehrenden, fiktiven und imaginativen Fähigkeiten; aber nicht als ein Selbstporträt, das die Komplexität und vielschichtigen historischen Narrative reduziert, aus denen sich Identitäten zusammenfügen. Diese Identitäten müssen benannt werden, um bestimmte politische Arbeit zu ermöglichen. Ich verstehe Identität also als eine politische Positionierung, die eine Reihe von Praktiken leiten kann. Daran orientiert sich auch meine Ausrichtung von Performance und Theater als Ort des Sehens, als Raum des Erkennens. Ich kartiere eine Praxis, die von meinen Inspirationen geprägt ist, von meiner Liebe fürs Theater und den Vorstellungswelten, zu denen es einlädt; sowie von all dem, gegen das ich mich wende, sobald ich in den Bezugsraum des Theaters eintrete.
SLC: Als du neulich über Bilder und Geschichten sprachst, blieb mir besonders im Kopf, dass du im Kontext der multiplen Geschichte/n, die dazu führen, wie wir die Welt erfahren, Klangbilder erzeugen möchtest. Indem du diese musikalische Metapher nutzt, um über Visualität zu sprechen, weist du uns sinnlich bereits auf etwas anderes hin. Du führst uns nicht zu einer visuell reduktiven Praxis, sondern zu einer, die nachklingt und widerhallt, die nicht reduziert, nicht eingefangen werden kann, richtig? Ich finde diese Vorstellung von Klangbildern und wie du das mit der Idee von Identität als politischer Positionierung zusammendenkst, wirklich interessant.
LL: Ich mag diese Vorstellung eines klingenden Bildes – eines Bildes, das mehrere Ebenen aufruft, auf denen es wahrgenommen werden könnte. Ich arbeite mit multiplen Logiken der Sinnesorgane, was eine Art Chaos schafft, aus dem Dissonanz hervorgehen kann und Momente der Stille sprechen dürfen.
SLC: Du näherst dich den tiefen, dunklen Angelegenheiten der Bedeutungsgebung in deinem Werk auf viele verschiedene Weisen. Eine davon ist der Humor – oder der »Unsinn«, »fuckery«, wie du es manchmal nennst. Vielleicht ist es eine Strategie, um die Absurdität von Alltagspraktiken der Beherrschung und Unterwerfung sowie die Absurdität jener politischen Architektur anzuprangern? Was findest du an Humor so produktiv? Was erzeugt oder eröffnet er für dich? Welche Wege ermöglicht er dir?
LL: Die Komödie ist die Kehrseite der Tragödie. Im besten Fall kann die Komik auf die Grenzen der Darstellbarkeit hinweisen, indem sie die Dinge auf eine gewisse Weise verflacht. Was andernfalls tiefgreifend oder unerträglich erscheinen mag, wird durch Humor schlicht und einfach. Was passiert, wenn diese stumpfe Deutlichkeit direkt geäußert wird, als das, was niemand aussprechen will, was aber gesagt werden muss? Was passiert, wenn wir durch Humor erkennen können, wie Gewalt gar nicht weit weg von uns stattfindet, sondern in schlichten Alltagssituationen – oft durch Nebenhandlungen – geprobt wird. Ich denke also, der Rückgriff auf Humor ist mir so wichtig, weil er nicht in Gänze die Arbeit der Übersetzung erledigen kann. Humor stellt die Unmöglichkeit der Übersetzung heraus, während er zugleich eng mit seinem Gegenstück, seiner Gefährtin, der Tragödie, kuschelt.
SLC: Da wir verschiedene textuelle und künstlerische Quellen gemeinsam gelesen und besprochen haben, dachte ich, wir könnten über einen Text ein bisschen weiterreden, und zwar über Saidiya Hartmans Das Komplott zu ihrer Zerstörung.(1) Du spielst auf mehreren Ebenen mit dem Konzept des plot – also des Handlungsverlaufs als narrativer Plot, des Komplotts als politisches Motiv und des Grundstücks als räumlich-ökonomische Wirklichkeit.(2) In Hartmans Text ist dieser Komplott die Materialisierung einer erschreckenden Fiktion: Mehrere Arten, zu sein, zu fühlen und zu wissen, werden einer einzigen Perspektive unterworfen, die von jenen gestaltet wurde, die sich als rechtmäßige Herrscher über alle Formen des Seins/Fühlens/Wissens etablieren möchten. Es handelt sich um eine Fiktion, die auf materieller und auf symbolischer Ebene die totale Gewalt einführen und jeglichen Gesamtwert ausbeuten soll. Hartman bietet uns verschiedene Beispiele, wie dieser Komplott mit der Vorstellung vom Leib als Eigentum beginnt. Etwa mit der Überzeugung, dass ›sie‹ das fehlende Bindeglied zwischen Tier und Mensch sei; mit all den Motiven, durch die die schwarz rassifizierte und weiblich vergeschlechtlichte ›sie‹ zur niedersten und am wenigsten empfindsamen Form menschlichen Seins erklärt wird. Nachdem Hartman über den endlosen Horror dieser Zerstörung schreibt, über die unzähligen Weisen, wie dieser Komplott umgesetzt wurde, bespricht sie, wie diese verwirklichte brutale Fiktion womöglich unterlaufen und aufgehoben werden kann. Zwei Aspekte oder Strategien, die sie nennt, sind die Tarnung sowie der Hinweis, dass es nicht um Unterhaltung geht. Und dann dachte ich über deinen Plot nach, der sehr öffentlich ist. Er ist dazu bestimmt, öffentlich angesehen zu werden, was vielleicht zu dem Skandal darin führt? Ich fragte mich also, was an dieser Öffentlichkeit wichtig für deinen Plot ist oder wie du diesen Akt der öffentlichen Schau konzipierst?